es sind doch nur globuli

Es sind doch nur Kügelchen…

…wenn Tierhalter ihre Tiere selbst behandeln

Viele Tierhalter wünschen sich für ihr Tier – ebenso wie für sich selbst – eine sanfte naturheilkundliche Behandlung. Das ist gut nachvollziehbar. Und es kann ja nicht so schwer sein, seinem Tier selbst zu helfen, wenn man die unzähligen Internetforen durchstöbert und die öffentliche Meinung über Therapien wie Homöopathie oder Heilpflanzenkunde (Phytotherapie) befragt: Dann heißt es vielfach „das kann ja nicht schaden!“
Ist es wirklich so einfach?

Vielfach geschieht eine Selbstbehandlung der eigenen Tiere anhand von Ratschlägen à la „stille Post“. Da werden Fragen in Internetforen gestellt und Laien antworten oder die Pferdebesitzerin des Boxnachbars hat probate Mittelchen, und auf der Hundewiese werden gut gemeinte Ratschläge erteilt. Häufig liegt die Argumentation eines solchen Rat-schlages darin begründet, dass dieses oder jenes homöopathische Mittel, eine Salbe oder eine Heilpfl anzenrezeptur dem eigenen Tier schließlich auch geholfen habe. Dabei werden einige Aspekte einer zielführenden Behandlung häufig außer Acht gelassen:
Zunächst stellt sich die Frage nach einer gesicherten Diagnose. Gut gemeinte Rat-schläge beginnen häufig mit der Aussage „das kenne ich – hat mein Hund auch gehabt“. Aber handelt es sich bei dem einen Tier tatsächlich um die gleiche Problematik oder liegen unterschiedliche Ursachen vor? Häufig werden einzelne Symptome, wie z. B. häufiger Durchfall, zur Therapie herangezogen. Chronische Durchfälle begleiten jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen. Ein Tierheilpraktiker/Tierarzt wird also zunächst die Diagnose absichern und die individuellen Umstände bei dem jeweiligen Tier zur Verordnung einer Therapie mit einbeziehen. Soll nun, wie in unserem Beispiel, der Durchfall homöopathisch behandelt werden, lauert die nächste Fehlerquelle. Verordnet man eine Arznei nach dem homöopathischen Prinzip, wird nicht ein Mittel gegen Durchfall verordnet, sondern es wird aus einer Vielzahl an in Frage kommenden Mitteln das für diesen Fall individuell passende herausgesucht. Daher führen Homöopathen nach Sicherung der klinischen Diagnose zunächst eine umfangreiche Befragung durch, bevor das passende Mittel erarbeitet wird. Es sind Fragen, die u. a. Hinweise auf Ursachen, Art des Durchfalles und Begleitumstände geben soll. Selbst eine veränderte Gemütslage wird in die Mittelfindung mit einbezogen. Ob das Tier sich bei Erkrankung eher zurückzieht oder anhänglich wird, sich ängstlich zeigt oder gar aggressiv kann entscheidend dafür sein, dass zwei Hunde, die einen ähnlich gearteten akuten Durchfall aufweisen, dennoch verschiedene Mittel erhalten. Denn die Homöopathie arbeitet nicht gegen ein Symptom, das unterdrückt wird, sondern mit den Selbstheilungskräften des Patienten.

Falsch gewählte Mittel können zu kurzzeitig unerwünschten Wirkungen führen. Ein homöopathisches Mittel, das nicht genau passt, könnte den Fall in seiner Symptomatik auch verschleiern. Wenn es den Fall nicht zur Ausheilung bringt und dann ein/e Homöopath/in zu Rate gezogen wird, kann es sein, dass das Mittel die Symptome verändert hat und es den oder die Behandelnde/n schwierig wird, das richtige Mittel zu finden.

Wie sieht es mit Heilpflanzen aus?

Fallstricke lauern auch bei der Heilpflanzenmedizin. Heilpflanzen entfalten ihre Wirkung durch sog. Sekundärinhaltsstoffe, wie Gerbstoffe, ätherische Öle, Flavonoide und viele mehr. Man muss sich mit der Wirkungsweise der einzelnen Inhaltsstoffe sowie deren komplexen Zusammenwirken auskennen, um gezielt zu behandeln. Ein häufig erlebtes Praxisbeispiel mag dies verdeutlichen: ein Pferd – nennen wir es Max – hat einen chronischen Husten. Max bekommt von seiner Besitzerin eine Mischung an „Hustenkräutern“. Diese soll den festsitzenden Schleim lösen und ein Abhusten erleichtern. Eines Tages zeigt sich beim Boxnachbar Moritz plötzlich ein akuter lauter Husten, der ihn offensichtlich sehr quält. Die Besitzerin von Max empfiehlt seine probate Hustenmischung, um der besorgten Besitzerin von Moritz eine schnelle Hilfe anzubieten. Es sind ja nur Kräuter – das kann ja nur gut sein. Doch der Husten von Moritz ist in einem Stadium, in dem noch gar kein Schleim zum Abhusten vorhanden ist. Er würde also eine Rezeptur benötigen, die die gereizten Schleimhäute beruhigt, die Entzündung hemmt und die körpereigenen Abwehrkräfte steigert.


Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass es auch bei Heilkräutern darauf ankommt, zunächst eine gesicherte Diagnose zu stellen und dann eine Rezeptur zu verordnen, die auf den Fall abgestimmt ist. Sie sollten Ihrem Tier nicht einfach irgendwelche „Hustenkräuter“ geben, auch wenn sie vom Hersteller so genannt werden – häufig enthalten solche Mischungen viel zu viele Kräuter, die zwar alle bei Husten eingesetzt werden, allerdings in unterschiedlichen Stadien und bei unterschiedlichen Problematiken, die zum Symptom Husten führen. Es reicht also nicht aus, mittels Ratschlag oder durch Nachschlagen Kräuter zu wählen in deren Indikationenliste das Symptom aufgeführt ist, das Ihr Tier zeigt.


Ein weiterer Fehler, der bei der Verabreichung von Kräutern vorkommt, ist, diese schlicht zu lange oder gar als Dauermedikation zu geben. Heilpflanzen enthalten äußerst wirksame Substanzen. Es kann zur Gewöhnung des Organismus kommen oder durchaus auch zu unerwünschten Wirkungen!


Natürlich ist es möglich als Tierbesitzer seinem Tier in Bagatellsituationen selbst zu helfen, so wie man sich und vielleicht auch seinen Kindern hilft. Sei es, kleinere Wunden zu versorgen oder z. B. bei einem akuten Brechdurchfall erst einmal die Nahrung zu entziehen und Heilerde zu geben oder bei Verstauchung durch Toben die bewährten Umschläge zu machen, wenn man sich dabei sicher ist. Entscheidend ist, rechtzeitig fachlichen Rat bei Ihrem/Ihrer Tierarzt/Tierärztin oder Tierheilpraktiker/in einzuholen, vor allem auch zur Sicherung der Diagnose. Gut ausgebildete Tierheilpraktiker/innen werden Sie, falls eine weiterführende Diagnostik oder eine schulmedizinische Behandlung erforderlich ist, an eine/n Tierarzt/Tierärztin verweisen. Im Idealfall ergänzen beide einander, um Ihr Tier bestmöglich zu versorgen. Bei Notfällen, wie Verdacht auf eine Magendrehung, Verkehrsunfall etc. sollten Sie keine kostbare Zeit verlieren durch einen Umweg über den/die Tierheilpraktiker/in, sondern direkt eine tierärztliche Praxis oder Klinik aufsuchen! 

Ein Artikel von Stefanie Olhöft, Tierheilpraktikerin und -osteopathin