Der endgültige Abschied

Für die meisten Tierhalter kommt irgendwann der Tag, an dem sie ihr Tier
beim Sterben begleiten, über Leben oder Tod entscheiden müssen, oder
erfahren, dass es gestorben ist. Auf welche Art das Tier auch immer geht
– die Trauer ist da. Aber wie geht man mit ihr um?

„Hier ruhen Bella und Rosa, den 13. Februar 1868.“ Wer am Lotterberg oberhalb von Wolfershausen im hessischen Schwalm-Eder-Kreis wandert, der kann im Haldorfer Amselwald auf einen eindrucksvollen, 150 Jahre alten Grabstein stoßen. Zwei Pferdeköpfe blicken sich auf dem Sandstein an – das Grab zweier Stuten. Die Geschichte hinter dem Gedenkstein zeugt von einer anderen Zeit: Die beiden Pferde, die der Arbeit im Gespann nicht mehr gewachsen waren, sollten auf ihre alten Tage nicht mehr den Besitzer wechseln. Sie wurden erschossen und angeblich an Ort und Stelle begraben.

Heute haben wir Tierfriedhöfe, lassen aus der Asche unserer vierbeinigen Begleiter Di- amanten pressen oder aus ihrem Schweifhaar zur Erinnerung Schmuck machen. Wir haben moderne Medizin, um unsere Tiere sanft einschlafen zu lassen oder bringen sie – immer seltener zum Schlachter. Laut der TiHo Hannover werden etwa 50 Prozent aller verstorbenen Kleintiere auf Privatgrundstü- cken beerdigt – das ist, sofern es die jeweilige Gemeinde nicht verbietet, möglich, wenn das Grab mindestens 50 Zentimeter tief ist und es nicht in einem Wasserschutzgebiet sowie nicht unmittelbar an öffentlichen Wegen liegt. Etwa dreißig Prozent werden über Tierarzt/Klinik der Tierkörperverwertung zu- geführt. Nur ein Prozent wird auf Tierfriedhöfen bestattet, der Rest wird kremiert. Nichts davon sagt etwas darüber aus, wie gut das Tier es zu Lebzeiten und im Sterben hatte – aber wie ein Tier geht, beeinflusst durchaus, wie wir den Verlust erleben. Dass man weiß, wie man nach dem Tod des Tieres Erinnerungen schaffen kann, erleichtert den Abschied für viele Tierbesitzer. Doch auch wenn man nicht gedenkt, sein Tier in ein Krematorium bringen zu lassen, sollte man sich auf den endgültigen Abschied vorbereiten. Das macht es einfacher, in dem Moment, in dem es darauf ankommt, die richtigen Entscheidungen zu treffen, das Tier beim Sterben liebevoll begleiten zu können und auch seinen Tod gut verarbeiten zu können.

Erkenntnisse der Trauer- forschung

Jeder bewältigt Trauer auf seine Weise: Niemand kann im Voraus sagen, wie und wie lange oder auf welche Art er trauern und mit dem Tod des geliebten Begleiters umgehen wird. Bis vor kurzem vertraten die meisten Theorien über Trauer und Verlust die Ansicht, Trauer sei eine Art kontinuierlicher Arbeitsprozess, der lange braucht, bevor er zu einem Abschluss gelangt. Inzwischen gibt es neue Erkenntnisse. Diese legen ein anderes Bild des Trauervorgangs nahe und werden vor allem diejenigen Menschen erleichtern, denen bislang vorgeworfen wurde, sie würden Phasen des Trauerns überspringen, wenn sie schnell über ihren Verlust hinwegkamen. Heute weiß man: Die meisten Menschen haben die Fähigkeit und die entsprechenden Strukturen, um Schmerz und Verlust gut zu verarbeiten. Dies wird Resilienz genannt. Der Begriff bezeichnet in der Psychologie die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie sogar für persönliche Entwicklungen zu nutzen.

Studie zu Euthanasie und Trauer

Unter dem Titel „Tod und Teufel – Vermenschlichung, Trauer um Tiere und Bedeutung für die tierärztliche Praxis“ befasste sich vor ein paar Jahren Marion Schmitt aus der Arbeitsgruppe Ethik im Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in ihrer Doktorarbeit (www.tinyurl.com/ mryy6dem) mit dem Thema, wie Tierhalter den Tod eines geliebten Tieres erleben und verarbeiten. In einer Umfrage erfasste sie, welche Erfahrungen Menschen mit dem Tod eines Haustieres, dem eventuellen Einschläfern und dem Verlust gemacht haben und erfragte, wie sie mit der Trauer umgingen.

Eines der Ergebnisse war, dass Besitzer oft mit ihrer Trauer überfordert sind – „die Ergebnisse der Halterbefragung bestätigen, dass viele sich nicht über mögliche Ausmaße des Verlusts bewusst, im Umgang damit ratlos und infolgedessen stark belastet sind.“ Allerdings zeigte sich auch, dass eine entscheidende Rolle spielt, wie der Tod des Tieres erlebt wird. „Die Todesumstände beeinflussen die Trauer“, so Schmitt. Insbesondere als traumatisch oder qualvoll empfundene, sowie überraschende Tode verursachten Schuldgefühle und dies habe einen entscheidenden Einfluss auf die Gefühlslage nach dem Tod des Tieres. Ein wichtiger Faktor ist dabei laut Studie die aktive Vorbereitung auf das Sterben. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der allgemeinen Trauerforschung und den Erkenntnissen zur Resilienz.

Foto: © Halfpoint – IStock

Die Vorbereitung auf den Tod

Wer sich auf den Moment vorbereitet, hat also meist bessere Chancen, mit dem Verlust und der Trauer umzugehen. Man kann sich einiges im Vorfeld klar machen und sich über den Ablauf der entscheidenden Schritte informieren, um sich selber und damit auch dem Tier das Sterben zu erleichtern. Denn wenn sein menschlicher Begleiter gefasst ist und in dieser Situation ruhig bleiben kann, dann sind auch die Chancen gut, dass das Tier in dieser Energie bleiben und ruhig und in Sicherheit gehen kann.

  • Informieren Sie sich vorab über alles, was Sie möglicherweise nutzen möchten oder müssen, wie Einschläferung, Tierkörperbeseitigung, Kremierung oder Schlachtung. Bei Pferden ist es auch sinnvoll, sich über die rechtlichen Voraussetzungen, die man dazu selbst im Equidenpass lesen kann, zu informieren.
  • Sprechen Sie frühzeitig mit ihrem Tierarzt, wie er die Euthanasie handhabt. Immer mehr Tierärzte sind bereit, geplantes Einschläfern im Zuhause des Tieres durchzuführen.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt, dass Sie gerne seine Unterstützung möchten und er sich frei fühlen soll, Ihnen zu sagen, wenn er den Zeitpunkt zum Einschläfern für gekommen hält.
  • Holen Sie sich gegebenenfalls eine zweite Meinung.
  • Auch die Naturheilkunde, vor allem die Homöopathie, bietet diverse Möglichkeiten, Tieren das Sterben zu erleichtern. Auch für sich selber kann man alternativ-medizinische Unterstützung suchen, etwa in Form von Bach-Blüten oder Phytotherapie, vorab oder danach.
  • Wer sich nicht zutraut, sein Tier (allein) in den letzten Stunden zu begleiten, sollte sich rechtzeitig eine geeignete Vertretung oder eine Unterstützung suchen – und sei es nur für die Autofahrt hin und zurück.
  • Wer ein schwer- oder todkrankes Tier hat, kann sich in regelmäßigen Abständen unabhängige Meinungen einholen, um den Blick auf den Gesundheitszustand nicht zu verlieren.

 

Fazit: Wer weiß, was auf ihn zukommt, ist nicht auch noch mit Entscheidungen überfordert, von denen er nicht wusste, dass er sie treffen muss und wird nicht von Ereignissen überrascht, die ihn zusätzlich aus der Bahn werfen

Der richtige Zeitpunkt

Ein Tier erlösen zu können ist eine wunderbare Möglichkeit, Leiden abkürzen zu können. „Trotzdem ist die Euthanasie nicht der unbestrittene Goldstandard eines tiergerechten oder im Trauerkontext förderlichen Tiertodes“, formuliert es auch Schmitt in ihrer Doktorarbeit. Meiner Erfahrung nach wünschen sich die meisten Tierhalter für ihr Tier einen schnellen, schmerzlosen Tod, dem möglichst keine langwierige, schmerzhafte Krankheit vorausgeht.

Dennoch sollte das Tier ein langes Leben gehabt haben, bevor es – möglichst von alleine – sanft entschläft. Wünschen darf man sich das und tatsächlich erleben viele Tierhalter dies so. Es ist immer ein großes Geschenk. Natürlich kann man auch viel dafür tun. Die wichtigste aktive Gesundheitsfürsorge besteht in guter Ernährung bei Normalgewicht und angepasster, altersgerechter Bewegung und Beschäftigung.

Auch hier gilt: Wer sich dies- bezüglich möglichst wenig vorzuwerfen hat, wird nach dem Tod des Tieres nicht von bewussten oder unbewussten Schuldgefühlen geplagt und kann den Tod als Teil des Lebens besser akzeptieren.

Ob man ein Tier erlösen muss, oder ob man es für sich sterben lassen kann, muss man von Fall zu Fall und von Tag zu Tag entscheiden. Eine gute, ver- ständnisvolle Unterstützung durch Tierärzte oder Tierheilpraktiker ist für viele Tierbesitzer dann eine große Hilfe,

Hilfe zur Selbsthilfe

Man kann aber bereits zu Lebzeiten des tierischen Begleiters einiges tun, um den Tod besser zu verkraften. Wenn das Tier älter wird und seine Kräfte nachlassen kann es das Leben und das Zusammensein mit Ihnen dennoch genießen. Das gilt auch für uns Menschen. Oft versteht man sich nun blind, wo früher auch mal diskutiert wurde. Wer immer wieder innehält, um den Moment zu genießen und auch das Schöne an jedem Lebensabschnitt oder sogar in Phasen der Krankheit erspüren kann, der wird zusätzlich zum Verlust nicht auch noch von Schuldgefühlen übermannt.

Tatsächlich deutet viel darauf hin, dass Trauer von anderen negativen Gefühlen überlagert oder verstärkt wird. So wird vielfach vom Umfeld erwartet oder signalisiert, dass die Trauer massiv ist und lange dauert: Andere Tierbesitzer meinen es sicher gut, wenn sie einen vor diesem zu erwartenden Gefühls-Overkill warnen. Dennoch kann es sich dabei auch um eine Art Erwartungshaltung handeln und natürlich kann das Ganze auch in Form einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ablaufen. Bei der Trauer um Tiere haben viele Menschen allerdings häufig auch ein völlig anderes Problem: Eine massive Trauer um Pferd, Hund oder Katze wird – zumeist von Nicht-Tierhaltern – nicht toleriert. Schmitt formuliert das so: „Diese allgemeinen Prinzipien der Trauer treffen auf den Tod von Menschen und Tieren gleichermaßen zu – eine Wertung ist in diesem Vergleich unangebracht und unnötig.“

Ich habe die Erfahrung gemacht: Je bewusster man im Vorfeld Entscheidungen trifft und die Zeit mit dem Tier erlebt, umso leichter fällt der Abschied. Und das ist etwas, was dem Tier gefallen hätte. Denn ich bin sicher, sie wollen uns nicht traurig sehen.

Ein Artikel von Claudia Götz

Die Diplom-Journalistin ist als Sachbuchautorin und Texterin tätig und arbeitet als ganzheitliche Therapeutin vor allem für Pferde und Hunde.

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