Pflanzliche Fütterung beim Hund

Die Frage nach der „besten“ oder „korrekten“ Ernährung des eigenen Hundes ist ein emotionales Thema, das mit vielen Halbwahrheiten, persönlichen Vorlieben und Idealen verbunden ist. Ob Rohfütterung, Selbstkochen, oder ein Alleinfutter- stets liegt der Wunsch zu Grunde, das Optimum an Gesundheit für den vierbeinigen Gefährten zu erzielen: Umfragen zeigen, dass die Gesundheit des Hundes bei den meisten Hundehalter:innen an oberster Stelle steht Neben dem Wohlbefinden des eigenen Vierbeiners beeinflussen bei der Auswahl zunehmend Fragestellungen wie Umweltbelastung, Nachhaltigkeit und Ethik die Entscheidung – insbesondere dann, wenn diese Werte im eigenen Lebensstil bedeutsam sind. Die Mehrheit der vegan fütternden Tierhalter:innen gibt beispielsweise an, sich aus ethischen Gründen dafür entschieden zu haben. Da die ethische Überzeugung, die eigene Lebensweise umzustellen, ebenso auf das Familienmitglied Hund erweitert wird, nimmt neben dem Anteil an vegetarisch und vegan lebenden Menschenauch
die Prozentzahl an pflanzlich ernährten Hunden stetig zu. Weiterhin sorgen auch Klima- und Umweltkrise für ein steigendes Bedürfnis nach ressourcenschonenden Proteinquellen.

Doch wie ist eine rein pflanzliche Ernährung beim Hund eigentlich aus wissenschaftlicher Sicht zu beurteilen? Welche Gründe gibt es dafür, und kann sie alle notwendigen Nährstoffe liefern?

Gründe für eine vegane Hundefütterung

Mehr und mehr Menschen, auch Hundehalter: innen, entscheiden sich für eine vegane Lebensweise: Während sich im Jahr 2015 ca. 850.000 Menschen in Deutschland als Veganer:innen identifi zierten, waren es im Jahr 2021 bereits 1,41 Millionen (+76 %). Laut Umfragen zählen Ethik, Umweltschutz und Gesundheit zu den Hauptgründen. Die Auswirkungen der Tierhaltung auf die Umwelt sind mittlerweile gut messbar: Eine Studie der Universität Oxford belegen die massiven Auswirkungen landwirtschaftlicher Tierhaltung auf die Umwelt: Die Tierhaltung benötig weltweit 83 % der nutzbaren Agrarfläche und verursacht rund 60 % der globalen Treibhausgase. Gleichzeitig liefern tierische Produkte aber nur 18 % der weltweiten Kalorien und 37 % des Proteins. Diese geringe „Ausbeute“ an Rohstoffen ist mit der stetig wachsenden Weltbevölkerung und den begrenzten Anbauflächen langfristig nicht vereinbar.

Außerdem tragen die im Tierhaltungssektor verursachten Emissionen maßgeblich zur Erderwärmung bei. Diese Aspekte führen zunehmen auch bei Hundehalter:innen zu Besorgnis, denn auch die Umweltbelastung durch den eigenen Hund ist nicht zu unterschätzen, wie eine Studie aus Berlin zeigt: Ein durchschnittlicher Hund verursacht in seinem Leben ca. so viele Treibhausgase wie 13 Hin- und Rückflüge von Berlin nach Barcelona. Den größten Anteil an diesen Emissionen hat das fleischhaltige Hundefutter, da auch hier die Auswirkungen der Tierhaltung wieder zum Tragen kommen. Die Umstellung auf ein pflanzenbasiertes Futter kann die Umweltbelastung durch den eigenen Hund also deutlich reduzieren.

Neben Umwelt und Klima spielt auch die Gesundheit bei vielen Menschen eine große Rolle bei der Entscheidung für eine vegane Ernährung. Eine zunehmende Anzahl an Studien legt gesundheitliche Vorteile einer pflanzlichen Ernährung beim Menschen nahe: Bei vegan Lebenden wurde ein deutlich niedrigeres Risiko für Typ-2-Diabetes, Übergewicht, einige maligne Tumorarten, kardiovaskuläre Erkrankungen und Osteoporose festgestellt.

Aufgrund dessen stellt sich vielen Hundehalter:innen die Frage, ob auch die Gesundheit des eigenen Hundes vom Verzicht auf tierische Produkte profitieren könnte. Ob eine pfl anzliche Ernährung beim Hund Krankheiten vorbeugen kann, ist bisher nicht untersucht. Tatsächlich können aber Hunde mit bestimmten Krankheitsbildern von einer Umstellung profitieren: Etwa 1-2 % der Hundepopulation in Deutschland leiden unter Futtermittelunverträglichkeiten , in den meisten Fällen bestehen die Allergien gegen tierisches Protein.

Da mittlerweile auch exotische tierische Eiweißquellen in Alleinfuttern und in selbstgekochten Rationen verwendet werden, fehlt für Hunde mit mehrfachen Allergien ab einem gewissen Punkt die Auswahl. Pflanzliche Proteinquellen hingegen führen statistisch gesehen selten zu Futtermittelunverträglichkeiten. Gerade bei schwerer Symptomatik wie ausgeprägtem Juckreiz oder chronischen Ohrenentzündungen schwenken daher einige Hundehalter:innen auf eine rein pflanzliche Fütterung um. Bei chronischen Magen-Darm-Erkrankungen wie der Inflammatory Bowel Disease (IBD; ähnlich Morbus Crohn beim Menschen) kann die Futtermittelkomponente ebenfalls eine Rolle spielen, weshalb auch hier die Vermeidung bestimmter Allergene, vor allem tierische Proteine, Linderung verschaffen kann. Auch Leishmaniosepatienten unter Allopurinol- Therapie werden vermehrt mit dem Wunsch nach einer veganen Ration in der Ernährungsberatung vorgestellt, da bei dieser Erkrankung die Reduktion der Purin-Aufnahme wichtig ist und pflanzliche Proteinquellen deutlich weniger Purin enthalten als tierische.

Der Wolf, der Hund und vegane Fütterung

Häufig wird der Wolf noch immer als Referenz für die Fütterung des eigenen Hundes herangezogen. Tatsächlich hat die Domestikation von über 15000 Jahren neben Sozialverhalten und Körperbau auch die Ernährungsphysiologie des Hundes nachhaltig beeinflusst: Im Vergleich zum Hund weist der Wolf beispielsweise einen deutlich höheren Bedarf an Eiweiß auf. Gleichzeitig ist der Hundekörper dazu in der Lage, mehr essenzielle Aminosäuren herzustellen als echte Carnivoren wie Wölfe oder Katzen. Während ein durchschnittliches Wolffutter etwa 62 % Protein enthält, werden für den Hund ca. 20 % empfohlen.

Historisch wurde der Haushund vor allem mit Speiseresten gefüttert, die vor allem sehr kohlenhydrathaltig waren. Dies führte dazu, dass der heutige Hund deutlich mehr und deutlich besser Stärke und andere Kohlenhydrate verdauen kann als der Wolf. Messbar ist dies anhand eines bestimmten Enzyms, der Amylase, das für die Stärkeverdaulichkeit zuständig ist. Während beim Wolf kaum Amylaseaktivität nachweisbar ist, ist diese beim Hund sehr stark. Aufgrund dessen wird der Haushund in Fachkreisen mittlerweile als Omnivore klassifiziert, ebenso wie z.B. Schweine oder Menschen. Offen ist, inwiefern dies Rückschlüsse auf eine rein pflanzliche Ernährung beim Hund zulässt. Dieser Fragestellung wurde mittlerweile auch in einigen Untersuchungen nachgegangen: Bei Hunden, die seit mindestens drei Monaten vegan ernährt wurden Blutwerte mit Hunden verglichen, die ein fleischhaltiges Alleinfutter bekamen. Im Vergleich zeigten sich auch bei langjährig vegan ernährten Hunden (max. 10 Jahre) keine Unterschiede zu den mit Fleisch ernährten Hunden. Erkrankungen des Harntraktes wie beispielsweise die Bildung von Struvitsteinen traten in der veganen Gruppe seltener auf.

Auch in der tierärztlichen Untersuchung vielen keine Unterschiede auf. Eine andere Studie befasste sich mit der Frage, welche Auswirkungen eine pflanzliche Fütterung auf Hunde mit einem erhöhten Energie- und Nährstoffbedarf hat: Zwölf sibirische Huskys aus dem Rennsport wurden über einen Zeitraum von 16 Wochen entweder mit einem pflanzlichen, oder mit einem fleischhaltigen Alleinfutter gefüttert. Während 10 der 16 Wochen mussten alle Hunde gleichermaßen Sprintrennen absolvieren. Zu verschiedenen Zeitpunkten wurden Blutproben entnommen und tierärztliche Untersuchungen durchgeführt. Alle Hunde, unabhängig von der Fütterung, wiesen über den gesamten Zeitraum einen ausgezeichneten Gesundheitsstatus und Blutparameter im Normalbereich auf. Da Blutuntersuchungen nur sehr eingeschränkt Rückschlüsse auf die Versorgung mit Nährstoffen über die Ernährung zulassen, sind Daten zur Verdaulichkeit des Futters noch wichtiger.

Bei Beageln wurden die Verdaulichkeiten verschiedener Mineralien in fleischhaltigen versus pflanzenbasierten Futtern untersucht. Die Verdaulichkeiten von Phosphor, Kupfer, Mangan, Zink und Magnesium waren bei den pflanzlich ernährten Hunden signifikant höher.


In einer weiteren Studie der Universität Hannover mit Beaglen wurde eine pflanzliche Ration mit einer tierischen verglichen: die Verdaulichkeit des Proteins lag in beiden Gruppen bei jeweils 76-80 %. Bezüglich der Schmackhaftigkeit gab es in dieser Studie von Seiten der Hunde keine Vorlieben – sowohl das fleischhaltige, als auch das pflanzliche Futter wurden gleichermaßen gut angenommen.

Im Vergleich zum Hund weist der Wolf einen deutlich höheren Bedarf an Eiweiß auf. Gleichzeitig ist der Hund in der Lage, mehr essenzielle Aminosäuren herzustellen als echte Carnivoren wie Wölfe oder Katzen.

Einschätzung

Ohne Frage ist und bleibt der Hund ein Nachfahre des Wolfes und teilt mit diesem einige Merkmale. Gleichzeitig führte die Domestikation zu einer ausgeprägten Anpassung des Hundes an den Menschen. Nicht zuletzt betrifft das die Ernährung.

Erste Studien zu pflanzlicher Fütterung beim Hund legen nahe, dass bedarsfdeckende vegane Futtermittel eine klimafreundliche und ressourcenschonende Alternative darstellen können. Gesundheitlich können vor allem Hunde mit Futtermittelunverträglichkeiten davon profitieren.

Weitere Studien zu pflanzlicher Fütterung beim Hund sind wünschenswert, insbesondere über einen längeren Zeitraum. Vor allem für Tiere mit besonderen Ansprüchen wie beispielsweise Welpen und laktierende Hündinnen fehlen aktuell Daten. Insbesondere für diese Gruppen sollten vegane Rationen nur von Fachleuten mit Erfahrung kalkuliert werden. In Anbetracht der Klimakrise, des exorbitanten Anteils der landwirtschaftlichen Tierhaltung an den globalen Emissionen und der Ressourcenknappheit müssen alternative Proteinquellen auf dem eigenen Teller und im Napf an Bedeutung gewinnen.

Pflanzliche Futtermittel können daher als Chance betrachtet werden, einen Beitrag zum notwendigen Klima- und Umweltschutz zu leisten.

Weiterhin wird die Nachfrage nach tierleidfreien Alternativen wachsen. Zur objektiven Einschätzung, ob ein veganes Futtermittel als Alleinfutter geeignet ist, können Hundehalter:innen beim jeweiligen Hersteller Analysewerte zu den Nährstoffgehalten anfragen und diese mit Tierernährungsexpert:innen besprechen. Liegen keine Analysen vor oder werden verweigert, kann eine bedarfsdeckende Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen nicht beurteilt werden. Somit ist das Futtermittel dann nicht empfehlenswert.

Dies gilt für Hersteller veganer Alleinfuttermittel gleichermaßen wie für Hersteller fleischhaltiger Produkte, denn anhand der Verpackung ist dies leider nicht beurteilbar. Mittlerweile finden sich auf dem deutsch-europäischen Markt neben fleischhaltigen Marken auch vegane Mitbewerber, die ebensolche Analysen zur Verfügung stellen und bedarsfdeckende Alleinfutter anbieten. Bei hausgekochten Rationen, egal ob diese fleischhaltig oder pflanzlich sind, ist stets eine professionelle Berechnung notwendig. Andernfalls drohen chronische Über- oder Unterversorgungen. In Zusammenarbeit mit einem/einer auf Tierernährung spezialisierten Tierärzt:in kann eine bedarfsdeckende Ration aber auch vegan gut umgesetzt werden.

Ein Artikel von Carla Steffen, Tierärztin/Veterinarian

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